Wir erleben Dinge in unserem Alltag, die in der Jugend unserer Eltern reinste Science Fiction gewesen und in Zeiten unserer Groß- oder Urgroßeltern wohl eher unter dem Begriff „Magie“ gelaufen wären. Sich bewegende und scheinbar lebende Zeitungen gehören genauso dazu wie Apparate, die sich in die Lüfte erheben, um uns inmitten unseres öffentlich zur Schau getragenen Alltags zu filmen.
Erinnerungen im Sekundentakt
Noch nicht richtig zu Ende gelebt und schon mit aller Welt geteilt. Erinnerungen an unsere glücklichsten und intimsten Stunden posten wir in sozialen Netzwerken, anstatt sie in unserer Seele festzuhalten. Erinnerungen werden nicht mehr aus unserem Gehirn hervorgeholt, sondern nur noch von außen betrachtet. Ganz so, als wären wir selbst Außenstehende, die vor unserer eigenen Tür stehen bleiben.
Reisen, die noch vor einer Generation Wochen dauerten, unternehmen wir heute innerhalb von Stunden. Kaum angekommen, geht es auch schon wieder zurück. Wir hetzen durch die Urlaubstage, um so viel wie möglich zu erleben. So viel wie möglich zu sehen. So viele Bilder wie möglich veröffentlichen zu können.
Wo bleibt der Faktor Zeit?
Erholen wir uns? Erleben wir? Leben wir? Das scheinen mir oft genug die Fragen zu sein. Denn wir leben den Augenblick nur dann, wenn wir uns wirklich im Hier und Jetzt befinden. Doch haben wir dazu mit unserem Lebensstil noch die Möglichkeit?
Als Denkanregung oder auch als Anregung für eine wertvolle Meditation möchte ich Ihnen hier eine schöne Geschichte präsentieren.
In der Zeit, als die Europäer das Abenteuer Wissenschaft für sich entdeckten, reiste ein Biologe in den Himalaja. Wie es damals so üblich war, engagierte er einen Trupp indischer Lastenträger, die seine Ausrüstung auf der Expedition die Berge hinauf schleppen sollten.
Beseelt von seinem Forschungsauftrag, hatte es der Wissenschaftler eilig, an sein Ziel zu kommen, weswegen er das Team immer wieder zur Eile aufrief. Nachdem sie den ersten Pass überwunden hatten, mussten sich die Träger ausruhen.
Schnell wurde dem Europäer die Zeit zu lang und er wollte weiter ziehen. Er rief die Träger und forderte sie auf, weiter zu ziehen. Doch diese blieben einfach sitzen, wo sie waren. Sie schwiegen und blickten auf den Boden, so als hätte er gar nichts gesagt.
Da wurde der Wissenschaftler ungeduldig und verschärfte den Ton. Das veranlasste einige von ihnen aufzuschauen. Schweigend blickten sie den Fremden an, als einer von ihnen erklärte: „Wir können noch nicht weiter ziehen. Wir müssen zuerst warten, bis unsere Seelen nachgekommen sind.“