Weil unser Gehirn grundsätzlich eher negativ geprägt ist, suchen wir ständig das bekannte Haar in der noch so wohlschmeckenden Suppe. Und auch negative Glaubenssätze, ein scharfer innerer Kritiker und einschränkende Gewohnheiten haben hier ihren Ursprung. Doch es gibt Möglichkeiten, negative Gedanken auf ein Minimum zu beschränken.
Von der Negativität des Gehirns
Unser Gehirn ist zu einem großen Teil negativ geprägt. Das wird auch Negativity Bias, Negativitätsverzerrung oder auch einfach Negativität des Gehirns genannt. Die Ursachen dafür sind in der Evolution begründet. Denn in früheren Zeiten war es für unsere Vorfahren elementar, Gefahren und Bedrohungen (also etwas negatives) frühzeitig wahrzunehmen.
Diese Aufgabe wird von der Amygdala übernommen, einem sehr früh in der Entwicklungsgeschichte entstandenen Teil des Gehirn. Dieser verwendet sage und schreibe zwei Drittel seiner Neuronen nur dazu, Negativität, und dazu gehören auch Gefahren aus der Umgebung, zu erkennen.
Wer jetzt allerdings glaubt, dass dieser Gehirnteil heutzutage komplett nutzlos ist – schließlich gibt es keine Säbelzahntiger oder andere Raubtiere mehr, die einen fressen möchten – irrt. Gefahrensituationen im Straßenverkehr müssen ja schließlich ebenso rasch erkannt werden. Und auch bei Lebenskrisen, wie einer schweren Krankheit, einer unerwarteten Kündigung oder dem Tod eines geliebten Menschen, greift die Amygdala ein. Indem sie uns dazu anhält ins Handeln zu kommen und Lösungen zu entwickeln.
Von negativen Glaubenssätzen, einschränkenden Gewohnheiten und inneren Kritikern
Aufgrund dieser Negativitätsverzerrung ist es natürlich verständlich, warum manche Menschen viele negative Glaubenssätze wie beispielsweise „Immer passiert mir so etwas“, „Ich bin ein Looser“ und andere mehr ihr eigen nennen. Und auch einschränkende Gewohnheiten, wie sich selbst klein zu halten und sein Licht ständig unter den Scheffel zu stellen, und ein scharfer innerer Kritiker haben in der Negativität des Gehirns ihren Ursprung.
Das alles schwächt nicht nur unser Selbstwertgefühl und unser Selbstbewusstsein. Auch unsere Gesundheit, vor allem unser Immunsystem, leidet, wenn ständig negative Gedanken auftauchen und anfangen, uns zu überrollen.
Wie uns negative Gedanken krank machen können
Dass unsere Psyche Einfluss auf unser Immunsystem hat ist keine neue Erkenntnis und auch kein ganz neues Forschungsfeld. Zwar ist die Psychoneuroimmunologie ein relativ junges Gebiet in der modernen Medizin, jedoch mittlerweile so weit fortgeschritten, dass ein komplexer Zusammenhang zwischen Nervensystem, Psyche und Gesundheit erkannt werden konnte.
Vor allem der bekannte Psychologe und Neurowissenschaftler Dr. Richard J. Davidson hat durch viele Studien dazu beigetragen. Als enger Freund und Vertrauter des Dalai Lama untersuchte er beispielsweise, was bei Meditationen im Gehirn tatsächlich passiert und schloss dazu verschiedene Mönche an ein EEG an. Seine Forschungen trugen unter anderem dazu bei, dass Meditation mittlerweile als Methode zur Stressbewältigung und -prävention anerkannt ist.
Auch der Zusammenhang zwischen negativen Emotionen, Gedanken und dem Immunsystem wurde von ihm und seinem Team in Studien dargestellt; eine dieser Studien finden Sie unter diesem Beitrag verlinkt. Die Hauptaussage darin war, dass Menschen, die eher negativ geprägt sind und demzufolge mehr negative Gedanken im Laufe eines Tages haben, eine schwächere Immunantwort aufweisen und deswegen häufiger krank sind/werden, als Menschen, die einen eher positiven Grundtenor haben.
Der Grund dafür ist der, dass bei Sorgen und Ängsten beziehungsweise generell bei negativen Gedanken vermehrt Stresshormone, wie Cortisol, ausgeschüttet werden. Hat ein Menschen nun einen negativen Grundtenor – das bedeutet, dass er oder sie sich ständig Sorgen macht oder grundsätzlich eher negativ denkt – ist der Stresshormonspiegel im Blut ständig erhöht. Und das führt auf Dauer sowohl zu einer verminderten Immunantwort als auch zu einer Begünstigung bestimmter Krankheiten.
Wie Sie negative Gedanken minimieren können
Negative Gedanken minimieren, also weniger negativ denken. Ist das tatsächlich möglich? Schließlich habe ich ja am Beginn dieses Blogbeitrags geschrieben, dass unser Gehirn bekannt ist für seine Negativität.
Natürlich können Sie jetzt nicht Ihr komplettes Gehirn beziehungsweise die Amygdala umpolen. Doch es gibt durchaus einige Tricks, mit denen Sie es schaffen, aufkommende negative Gedanken zu stoppen, bevor sie ausarten. Nachfolgend habe ich Ihnen sechs davon zusammengestellt:
Stellen Sie negative Gedanken infrage
Diese Technik bedient sich einiger Fragen der „the work“-Methode von Byron Katie: Stellen Sie sich die Frage, ob es tatsächlich handfeste Beweise für Ihre negativen Gedanken gibt. Wahrscheinlich werden Sie schnell feststellen, das dem nicht so ist. Anschließend fragen Sie sich, ob dieser Gedanke beziehungsweise die Situation, aus der dieser entsprang, anderweitig interpretiert werden kann.
Dadurch führen Sie eine Perspektivänderung herbei, die Ihnen hilft, die Situation und mit ihr Ihre Gedanken in gänzlich anderem Licht zu betrachten.
Sorgen Sie für Ablenkung
Fakt ist, dass, wenn Sie ständig über einem Problem grübeln oder sich „einfach nur“ auf Ihre negativen Gedanken konzentrieren, sich diese verstärken. Deswegen hilft auch oft ein wenig Ablenkung, negative Gedanken abzuschwächen oder gar ganz verschwinden zu lassen. Dabei ist es wichtig, dass Sie sich für solche Fälle eine Aktivität heraussuchen, die Sie gerne machen und die Sie zusätzlich in positive Stimmung versetzt.
Legen Sie sich am besten eine Liste solcher Aktivitäten an und wählen Sie dann, wenn sich wieder negative Gedanken Ihrer bemächtigen wollen, eine aus.
Betrachten Sie Ihre negativen Gedanken ohne Urteil
Diese Methode stammt aus der Achtsamkeitspraxis. Nehmen Sie Ihre negativen Gedanken bewusst wahr, ohne diese zu verändern oder zu verurteilen. Jedoch auch, ohne sich von diesem mitreißen zu lassen. Dadurch schaffen Sie bereits einen Abstand zu diesen Gedanken, können sich leichter von diesen lösen und diese außerdem auch verabschieden und ziehen lassen.
Generell ist Achtsamkeit eine gute Praxis, um bewusster mit unseren Gedanken – und darunter fallen auch negative Gedanken – umzugehen. In meinem Newsletter, der alle zwei Wochen verschickt wird, erhalten Sie jedes Mal unter anderem eine Achtsamkeitsübung, die sich einfach und unkompliziert in Ihren Alltag einbauen lässt. Melden Sie sich gerne dazu an: Zur Newsletter-Anmeldeseite.
Hinweis: Ab nächstes Jahr starten wir wieder mit Basics aus der Achtsamkeitspraxis, so dass auch Beginner schnell und einfach einsteigen können. Und die Fortgeschrittenen unter Ihnen haben die Möglichkeit, Ihre Achtsamkeitspraxis zu rekapitulieren oder auch neue Übungen kennenzulernen.
Konzentrieren Sie sich auf die positiven Dinge des Lebens
Wenn Sie merken, dass sich bereits seit einiger Zeit negative Gedanken in Ihrem Kopf festgesetzt haben, konzentrieren Sie sich auf etwas Positives. Das kann ein erfolgreich angeschlossenes Projekt sein, das Foto Ihres Lieblingsmenschen oder ein Hobby. Alles, was Ihr Herz hüpfen lässt und Sie automatisch – ohne dass Sie viel dafür tun müssen – in positive Stimmung versetzt.
Legen Sie sich am besten auch für diese Dinge eine Liste an, die Sie immer griffbereit haben, sobald negative Gedanken aufkommen.
Richten Sie sich eine bewusste Grübel-Zeit ein
Wenn Sie das Gefühl haben, dass negative Gedanken umso stärker zurückkommen, je mehr Sie diese zu verdrängen versuchen, dann geben Sie ihnen Raum. Allerdings nicht ständig, nicht zu jeder Zeit und auch nicht unbegrenzt.
Legen Sie für sich selber eine bestimmte Zeit fest, beispielsweise zehn Minuten am Tag kurz vor der Mittagspause, in der Sie Ihre negativen Gedanken zulassen, diesen zuhören und über Probleme, Herausforderungen und schwierige Situationen nachdenken. Anschließend lassen Sie diese negativen Gedanken wieder ziehen und entspannen Sie sich – beispielsweise durch einen Spaziergang oder eine andere Tätigkeit. Eine Übung aus dem Yoga, dem Qigong oder auch eine Meditation ist hier gut geeignet.
Wenden Sie die 5-4-3-2-1-Technik an
Diese Technik wurde von der Psychotherapeutin Yvonne Dolan entwickelt. Sie stammt ursprünglich aus der Traumatherapie und wird dort zur Regulation von Emotionen verwendet. Aber auch negative Gedanken lassen sich mit dieser Methode sehr gut meistern und im Zaum halten.
Setzen Sie sich dazu bequem auf einen Stuhl, ein Meditationskissen oder -bänkchen und atmen Sie mehrere Male tief ein und aus. Nehmen Sie dann fünf Dinge aus Ihrem unmittelbaren Umfeld wahr, die Sie bewusst in diesem Moment sehen können. Nehmen Sie anschließend fünf Dinge wahr, die Sie hören können und dann noch fünf Dinge, die Sie spüren können. Anschließend nehmen Sie vier Dinge wahr, die Sie sehen, hören und spüren können, dann drei Dinge, zwei Dingen und schließlich ein Ding.
Beenden Sie diese Übung, indem Sie mehrmals tief ein- und ausatmen, aufstehen, sich recken und strecken und Ihre Arme und Beine ausschütteln.
Eine Alternative zu dieser Technik, die Sie zum Beispiel auch bei einem Spaziergang anwenden können, geht wie folgt: Nehmen Sie zunächst fünf Dinge in Ihrem Umfeld wahr, die Sie bewusst in diesem Moment sehen können. Anschließend nehmen Sie vier Dinge wahr, die Sie hören können. Dann nehmen Sie drei Dinge wahr, die Sie spüren können und darauffolgend zwei Dinge, die Sie riechen können. Zum Abschluss nehmen Sie eine Sache wahr, die Sie schmecken können.
Probieren Sie bei der nächsten Gelegenheit, wenn sich negative Gedanken in Ihrem Kopf breit machen wollen, eine oder mehrere dieser Tipps aus. Denn es gibt nicht die richtige Methode, um negative Gedanken in ihre Schranken zu weisen. Jeder Mensch reagiert ganz unterschiedlich auf die verschiedenen Techniken. Von daher kann es gut sein, dass Ihre Freundin oder Kollegin auf eine Methode schwört, für die Sie sich nicht erwärmen können und die Ihnen deswegen auch nicht hilft. Verzagen Sie dann nicht, und nehmen Sie sich stattdessen eine andere vor.
Damit wünsche ich Ihnen jetzt eine schöne Woche ohne viele negative Gedanken,
Ihre Silvia Duske
Literatur:
Melissa A. Rosenkranz, Daren C. Jackson, Kim M. Dalton, Isa Dolski, Carol D. Ryff, Burt H. Singer, Daniel Muller, Ned H. Kalin¶ and Richard J. Davidson (2003): Affective style and in vivo immune response: Neurobehavioral mechanisms. PNAS, Volume 100, Nummer 19, Seiten 11148 – 11152
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC196942/pdf/10011148.pdf
Weitere Publikationen von Richard J. Davidson und seinem Team finden Sie auf der Website des Center of healthy minds: https://www.centerhealthyminds.org/science/publications