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Das Burn-Out Syndrom entwickelt sich über Jahre. Meine Erfahrung ist, dass dies persönlichkeitsbezogen ist. Dass heißt, der Betreffende hat auch schon eine gewisse Veranlagung, die im Bereich der stressmachenden Einstellungen zu finden ist.
Das heißt, wenn derjenige an diesen Einstellungen nichts verändert, ist die Gefahr, dass er irgendwann mal in diesem wirklich dramatischen Krankheitszustand – was Burn-Out ist – landet, groß.
Wenn gestandene Männer, die eine Abteilung leiten, die noch nie vorher etwas mit dem Thema Psyche zu tun hatten, stundenlang in meiner Praxis sitzen und nur noch weinen, weil sie nicht mehr wissen, wie sie aufs Klo kommen, weil diese Funktion, dieses: „Ich stehe auf und verrichte meine Notdurft“ – nicht mehr möglich ist, dann wisst Ihr, was Burn-Out ist: Vollkommen ausgebrannt.
Der Burnout Kreislauf
Ich möchte jetzt gern mit Euch den „Burnout Kreislauf“ (theoretisches Modell, in dem die Burn-Out Symptome in 12 Stufen eingeteilt sind) durchgehen, damit Ihr ein Gefühl dafür bekommt, wie sich ein Kollege verändert, der über 1 Jahr bis 1 1/2 Jahre in diesen Kreislauf hineinrutscht.
Es fängt meistens im Stadium 1 an:
Mit einer neuen Aufgabe.
Wenn ich jetzt die Stadien kurz durchgehe, wird sich jeder von Euch sich da drin wieder sehen. Wir alle waren da schon mal drin. Wir haben aber an irgendeiner Stelle die Bremse gezogen, haben gesagt: „Moment mal, Stopp!“ Und diese Bremse haben die Kollegen, diese Mitarbeiter, nicht ziehen können, nicht gesehen, übersehen, wie auch immer.
Es fängt meistens damit an, dass ich eine neue Aufgabe bekomme. Neue Aufgaben haben etwas Spannendes. Aber eine neue Aufgabe hat auch was Beängstigendes.
Ich kriege eine neue Aufgabe und viele Menschen in diesem Bereich legen einen extrem hohen Wert auf Perfektionismus. Das heißt, ich habe nicht nur den Willen, sondern auch den Zwang, zu beweisen, dass ich es hinkriege. Nicht nur gegenüber meinen Kollegen, sondern ganz oft auch gegenüber meiner Familie.
Was passiert, kennen wir alle: „Ich will was hinkriegen, also schaff ich mehr.“ Statt 7, 8 oder 9 Stunden zu arbeiten bleibe ich länger.“ Ist normal“, sagt man sich, sage ich mir auch.“ Neue Aufgaben, ich brauch noch ein bisschen Zeit, um mich einzufinden.“
Dann bleibe ich eben 10 Stunden in der Einrichtung oder Firma. Nehme vielleicht etwas Arbeit mit nach Hause. „Das muss ich ja hinkriegen. Das ist ja nur kurzfristig. Irgendwann läuft das wieder und dann ist das alles in Ordnung.“
– Ich versuche immer laut zu denken, wie es so jemand, der da drin ist, denkt –
Das geht eine Zeit lang. Was kommt dann? Unser Körper gibt uns eigentlich ständig Signale, was er braucht. Wir wissen heute, dass Kopfschmerzen nicht ein lästiges Übel sind, sondern ein Zeichen, dass ich Wasser brauche, Luft brauche, die Augen mal schließen könnte oder mich mal hinlegen könnte. Wir wissen aber auch, was wir machen, wenn wir bei der Arbeit Kopfweh haben. Es gibt lecker, lecker Tabletten. Die Pharmaindustrie macht an keiner Stelle mehr Gewinn als mit Schmerztabletten. Das finde ich schon sehr bemerkenswert. Wir nehmen sie ein. Also wir hören auf unseren Körper nicht. Das mach ich auch mal. Aber wenn ich das über lange Zeit mache, unterdrücke ich meine eigenen Bedürfnisse.
Wir wissen auch, dass soziale Kontakte ein großes Hilfsmittel sind, Burn-Out zu vermeiden. Denn im sozialen Kontext erhalte ich Rückmeldung.
Da sagt meine Freundin: „Sag mal, Du hast dich aber ganz schön verändert in der letzten Zeit. Du bist so fahl. Du guckst nur noch miesepetrig.“ Das geht so auf einer sehr flapsigen Art: „Eh, Du gefällst mir nicht.“ Eine Freundin sagt das zu mir. Wenn ich aber den Kontakt vermeide, weil ich ja vielleicht weiß, dass das kommt, dann bin ich schon weit fortgeschritten auf diesem Weg.
Stadium 3: – Die Lust nach Faulenzen, Hängematte, Sport, Kirchenvorstand, Kegelclub, klönen mit der Freundin wird erst mal zurück gestellt. „Hat ja Zeit. Mach ich danach.“ Daraus entwickeln sich in einem guten sozialen Netz Konflikte.
„Kommst überhaupt nicht mehr zum Singen? Hast Du, willst Du uns nicht mehr? oder: „Wie hast Du Dich verändert?“
Der Ehemann sagt: „Wir geben uns nur noch die Klinke in die Hand. Für was bin ich mit Dir verheiratet? Wenn Du nach Hause kommst, bist Du so fertig, legst Dich aufs Sofa. Ich kann nicht mehr mit Dir reden!“
Es kommen, verstärkt natürlich, immer wieder Konflikte auf und meine Bedürfnisse sind ja da, aber denen darf ich nicht nachgeben. So und jetzt kommt ein ganz spannender Prozess: Und Ihr könnt selber mal bei Euch fragen. Wie würdet Ihr reagieren, wenn Ihr ständig einen auf den Deckel kriegt: „Silvia, Du hast dich total verändert. Guck mal, wie du rumläufst. Mit Dir macht es überhaupt keinen Spaß mehr.“ Die Kinder sagen: „Mama, ich brauch Dich und Du bist nie da.“ „Der Kirchenvorstand zieht an mir, weil ich schon wieder in der Vorstandssitzung oder in der Kirchensitzung nicht dar war. Der Kegelclub weiß überhaupt nicht mehr wie ich aussehe, weil ich mittwochs nicht komm.“
Ich krieg nicht nur den Druck von meinem Job, sondern es fängt an, dass ich den Druck von außen bekomme.
An dieser Stelle könnte ich natürlich sagen, das wäre toll:
„Stopp mal. Ist das das, was ich wirklich will?“
Und dann könnte ich verändern.
Und viele von Euch sind vielleicht an dieser Stelle zurückgegangen. Aber was mache ich als Burn-Out Betroffener?
Das ist Stadium 5:
Ich deute meine Werte um.
Das ist nämlich viel einfacher.
„Also die Leute im Kirchenvorstand, die haben mir schon immer gestunken. Eh, die sind so was von doof in den letzten Jahren geworden. Da wollte ich nicht mehr hin. Und Kegeln in dieser verrauchten Bude? Die Erna mit ihren blöden Bemerkungen. Also ich mag nicht mehr Kegeln gehen.“
Ich erkläre mir meinen Zustand, indem ich meine eigenen Werte umdeute.
„Sport wird überbewertet.“ Ich hol mir vielleicht ein paar Statistiken raus, wo Sportler einen Herzinfarkt beim Marathon bekommen haben. „ Also das muss ich mir nicht antun.“
Und ich muss mich dann im Zuge der Entwicklung von allem zurückziehen. „Ich hab mich vollkommen zurückgezogen.
Ich gehe nur noch zur Arbeit.
Ich bin möglichst um 06:00 Uhr gekommen, wo noch niemand da war und ich gehe dann, wenn alle schon gegangen sind.“
Jetzt kommt nämlich auch noch, das ist Stadium 6 und 7, das Problem dazu: Dass ich, obwohl ich einen verstärkten Einsatz habe, das Arbeitspensum nicht mehr hinkriege. Das heißt, auf meinem Schreibtisch türmen sich die Anträge – wie gesagt ich rede vom sozialen Bereich – die Fehler häufen sich, obwohl ich statt 8 Stunden 10 Stunden oder mehr arbeite. Und die einzige Reaktion, die ich habe – weil mich vom sozialen Netz, von meinen Kollegen zurückgezogen habe, ist, dass ich noch mehr arbeite, denn irgendwann muss ich es ja hinkriegen.
Stadium 6 und 7.
Das Stadium 8 ist dann die Veränderung in der Persönlichkeit. Vorher war‘s Veränderung im Verhalten. Jetzt ist es aber wirklich Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderung. Wobei wir natürlich nicht sagen können, jetzt ist er klassisch in 8 und jetzt ist er klassisch in 9 und jetzt ist er klassisch in 10. Wie gesagt, ein Modell ist immer nur ein Versuch, etwas zu strukturieren. Das heißt, wir gehen meistens in die einzelnen Bereiche über. Hier ist Verhaltens- und schon Persönlichkeitsveränderung, und das geht über in das Gefühl der Depersonalisierung und Derealisation. Und wer sich ein bisschen in Psychopathologie auskennt, weiß, dass dies hochgradige Symptomatiken sind, die sowohl in psychotischen und schizophrenen Erkrankungen auftreten, wie aber auch bei Angsterkrankungen und auch bei Depressionen.
Eine Depersonalisierung heißt: „Ich fühle mich nicht mehr in meinem Körper.“ Es ist nicht vorstellbar, nicht mehr eins mit mir zu sein.
Wir kennen das Gefühl, mal auf der Seite zu stehen, für kurz. „Oh, jetzt war ich aber nicht bei mir gestanden.“ Aber das die ganze Zeit.
Und das nächste, was kommt ist: „Ich habe keinen emotionalen Bezug mehr zu Euch.“ Das heißt, zwischen mir und Euch ist so eine Wattewand.
„Ich sehe Euch. Ich sehe in die Augen. Ich sehe Eure Mimik, aber es kommt kein Gefühl mehr zu mir.“
Und an dieser Stelle wisst Ihr, dass wir ganz stark auf empathische Begegnungen aus sind.
Wir brauchen die gegenseitige Reaktion. Es bewegt etwas in mir, wenn die Anne vor mir lächelt. Es bewegt etwas in mir, wenn Anne traurig ist. Es ist immer ein Wechselspiel, wenn wir uns begegnen. Und das ist nicht mehr da. Jetzt kommen wir in diesen Bereich und da gebe ich allen Medizinern Recht, die sagen: „Burn-Out ist Depression. Das ist 10-12.“
Und diese Menschen gehen immer noch zur Arbeit. Immer noch.
Es gibt so ein Wort, wie Depression genannt wird: Das ist das Gefühl der Gefühllosigkeit. Das liest man. Das lernt man. Und ich möchte mal, dass Ihr das anfangt zu fühlen.
„Ich fühle nichts mehr.“
Wir Menschen, wir Wesen sind ganz darauf ausgelegt, etwas über die Gefühlsebene wahr zu nehmen, und das ist nicht mehr da.
Und Du stehst vor Deinen Kindern und du spürst keine Liebe mehr. Nichts.
Und Du gehst trotzdem noch zur Arbeit.
Wir haben von Menschen mit psychosomatischen Krankheiten gesprochen, die zu uns ins Autogene Training kommen. Die kommen, weil sie leiden. Weil sie sagen: „Ich möchte gerne. Der Arzt hat gemeint, so ein Entspannungstraining wird mir gut tun.“
Menschen dagegen, die Burn-Out erkrankt sind, erfassen sich selber nicht.
Und das ist eine Führungsaufgabe, Menschen in diesem Prozess zu beobachten und zu sagen: „Stopp. Und jetzt übernehme ich Verantwortung für Dich. An dieser Stelle möchte ich, dass Du zum Arzt gehst.“
Ganz klar: Stadium 9 bis 12 = Klinik.
Wenn es früher um das Thema Psychiatrie ging, hab ich immer gesagt: „Oh, oh, komm, das ist das Allerschlimmste.“ In der Zwischenzeit weiß ich, dass es für viele eine enorme Erleichterung ist, dahin zu kommen, los zu lassen und zu sagen: Regelt Ihr erst mal alles. Meistens kommt dann noch ein Jahr ambulante Therapie und noch andere Geschichten, bis er/sie wieder eingegliedert werden kann. Das heißt aber immer noch nicht Vollzeitbeschäftigung. Der erste wirkliche diagnostizierte Burn-Out Fall war ein Sozialarbeiter und kein Manager!
Und es gibt Studien, dass schon Schüler aufgrund dieses extremen Druck und der mangelnden Resilienzfähigkeit ins Burn-Out einsteigen und diese Symptomatiken haben. Wenn Du dieses Gefühl bei Deinem Gegenüber hast:
Ansprechen – Handeln – Rausnehmen!
Im Endeffekt gibt es sonst einen Kollaps oder einen Zusammenbruch.
Und ich sage an dieser Stelle: Da steht auch der Tod! Worst Case eines Überlastungssyndroms ist Organversagen. Weil ich glaube, dass jemand der davon betroffen ist und Du ihm sagst „ich kann Dir helfen“, er Dir unendlich dankbar ist.