Liebe Leser,
Sie wissen, wie wichtig mir die Themen Stille und Meditation sind. Deshalb möchte ich Ihnen gerne eine therapeutische Geschichte schenken, die mir diese Woche in die Hände gefallen ist. Viel Freude daran!
Ein junger Mönch beschloss, sich für eine Weile in die Einsamkeit zurückzuziehen. Es hatte von seinem Meister eine Aufgabe gestellt bekommen und hoffte, sie mit Hilfe der Einsiedelei lösen zu können. Er zog sich auf einen fernen Berg zurück, um sich weit weg vom lärmenden Leben der Zivilisation ganz der Meditation und dem Gebet widmen zu können.
Nach einer geraumen Zeit verlief sich ein Wanderer in dem Gebirge. Er war sehr erschöpft und durstig, als er an die Einsiedelei kam. Er sah den Mönch aus der Hütte treten und bat diesen um etwas Wasser.
Daraufhin ging der junge Mönch mit ihm zu einer Zisterne, die nicht weit von seiner Hütte entfernt gelegen war. Der Mönch nahm eine Schale zur Hand und füllte sie mit frischem, klarem Wasser, das er soeben aus der Zisterne geschöpft hatte.
Dankbar nahm der Fremde die Schale entgegen und trank sie in einem Zug leer. Daraufhin füllte der Mönch die Schale erneut und reichte sie ihm wieder. Nachdem er auch diese geleert hatte, kam der Wanderer etwas zur Ruhe.
Nach einer Weile des Schweigens fragte er den Mönch: „Sag mir, was ist der Sinn, dass du hier dein Leben verbringst? In der Stille und Einsamkeit der Berge? Weit weg von allen Menschen, die du kennst und die du liebst? Das macht in meinen Augen keinen Sinn!“
Der Mönch schwieg einen Augenblick. Dann zeigte er auf die Zisterne. Das Wasser darin war immer noch ein wenig aufgewühlt.
„Schau in die Zisterne. Was siehst du?“ fragte er.
Daraufhin warf der Fremde einen Blick auf die unruhige Wasseroberfläche, hob anschließend den Kopf und entgegnete dem Frommen: „Ich sehe nichts.“
Wieder saßen die beiden Männer eine Weile schweigend beieinander. Nun forderte der Mönch den Fremden erneut auf: „Schaue in das Wasser der Zisterne. Was siehst du jetzt?“
Wiederum schaute der Wanderer auf das Wasser der Zisterne, das sich nun beruhigt hatte und eine spiegelglatte Oberfläche aufwies: „Ich sehe mich selber!“ War seine Antwort an den Mönch.
Daraufhin entgegnete dieser dem Fremden: „Somit hast du deine eigene Frage beantwortet“, sprach der Mönch.
„Als du das erste Mal deinen Blick in die Zisterne schicktest, war das Wasser noch vom Schöpfen unruhig. So konntest du nichts erkennen. Nun ist das Wasser still, still wie der Geist eines Menschen, der in der Einsamkeit lebt. In der Stille sieht man und in der Stille erkennt man sich selbst.“