Ich möchte Ihnen heute einen wunderschönen Start in die Woche wünschen und ein kleines Geschenk mit auf den Weg geben: eine kurze Geschichte, die Ihnen Mut machen soll. Mut, Ihre eigenen Grenzen kennen zu lernen. Mut, selbst zu denken. Mut, eine eigene Meinung zu haben und sich diese womöglich sogar selbst zu bilden. Mut, Ihren eigenen Weg zu gehen.
Eines Tages starb der Marschall am Hofe des Königs. Viele Jahre konnte sich der Regent auf das weise Urteil und den Ratschlag seines Bediensteten verlassen. Er vermisste ihn sehr. Nun musste er sich einen neuen Marschall suchen, doch konnte er sich für keinen der in Frage kommenden Adligen entscheiden.
In seiner Not beschloss der König, die edlen Herren einer Probe zu unterziehen. Diese würde ihm schon weisen, wer dem verstorbenen Gefährten ein würdiger Nachfolger sein könnte.
So führte er die adeligen Bewerber zu einem großen Felsen, der in einem weit entlegenen Winkel des Palastgartens thronte.
Es war wirklich ein sehr großer und mächtiger Felsen und er schien schon seit Anbeginn der Zeiten hier zu stehen. Sein Sockel schien tief mit der Erde verwachsen zu sein und er warf einen langen Schatten.
Nun hob der Monarch seine Stimme an und fragte: „Wer von Euch edlen Herren ist dazu in der Lage, diesen Stein zu bewegen? So tretet denn hervor!“
Da begann der erste in der Reihe ein wenig nach vorne zu treten. Er betrachtete sich den Stein von der Ferne und sagte schließlich: „Das kann ich nicht.“ Dies gesagt, trat er auch schon wieder einen Schritt zurück, um Platz zu schaffen für den folgenden Kandidaten.
Genau wie er verhielten sich auch die ihm folgenden Kandidaten. Auch sie traten ein wenig hervor, schätzten den Stein aus einiger Entfernung ab und gaben bekannt, dass sie das nicht vermochten. Wieder andere machten sich nicht einmal die Mühe, vorzutreten. Sie hörten, was ihre Vorredner gesagt hatten, senkten den Kopf und sagten einfach: „Nein.“
Da trat ein Minister hervor. Er legte seinen Mantel ab und näherte sich dem gewaltigen Stein. Er stemmte sich mit aller Kraft gegen den Felsen, doch dieser gab nicht einen Millimeter nach. Nach einer Weile trat der Mann zurück und spracht: „Eure Majestät, ich kann diesen Stein nicht bewegen.“
Daraufhin erhellte sich das Antlitz des Königs und er sprach: „Dir werde ich die Stelle des ersten Hofmarschalls anvertrauen. Du verlässt dich nicht auf das, was andere sagen oder tun. Stattdessen setzt du dich ein und probierst es selbst. Das ist der Geist, mit dem ein Königreich gedeihen kann. Dich will ich einstellen und mich auf dein Urteil und deinen Ratschlag verlassen.“
