Haben Sie sich einmal gefragt, wie es dazu kommen konnte, dass wir Therapiehunde erfinden mussten? Hunde, die dazu ausgewählt und auch ausgebildet werden, alten und kranken Menschen körperlichen Kontakt zu ermöglichen?
Ich meine, wir sprechen hier von einem der wesentlichsten menschlichen Bedürfnisse: dem Kontakt zu einem anderen Wesen. Einfach nur berühren. Einfach nur nahe sein. Einfach nur sein.
Berührung zwischen zwei Menschen. Berührung zwischen zwei Seelen. Ganz ohne Hintergedanken. Eine länger anhaltende Berührung zwischen zwei erwachsenen Menschen, auch wenn sie niemals eine sexuelle Verbindung miteinander hatten oder haben werden.
Ein gesellschaftliches Tabuthema
Sicher, Eltern nehmen ihre Kinder in den Arm. Doch wie lange tun sie es? Bis zu dem Moment, ab dem sich die ersten Zeichen des zukünftigen Mannes zeigen. Ein pubertierender oder auch ein erwachsener Mann? Fehlanzeige.
Was sollen die Anderen denken? Von einem auf den anderen Tag stehen Kinder da und haben kaum noch eine legitime Möglichkeit, eines ihrer existenziellsten Bedürfnisse zu befriedigen: Die Sehnsucht nach körperlicher Nähe.
Nur junge Männer? Nein, nicht nur. Aber sicher vorwiegend. Denn die Welt der Mädchen ist anders. Beste Freundinnen können sich in den Armen liegen oder auch Hand in Hand laufen, ohne dass sie deswegen gleich für Lesben gehalten werden. Doch zwei pubertierende beste Freunde?
Wo findet sich Raum für Berührung?
Ein Handschlag, ein Rempler oder ein rauer Schubser sind hier schon das höchste der Gefühle – im wahrsten Sinne des Wortes. Alles was darüber hinausgeht, ist tabu. Glück für die Jungs, die wenigstens eine Kontaktsportart betreiben. Kein Wunder, dass Freundschaften, die sich in Kampfsportarten bilden, meist ein Leben lang halten. Menschen dürfen sich hier platonisch so nahe kommen, wie in kaum einem anderen Bereich des Lebens. Beim Training, bei gemeinsamen Triumphen, in Niederlagen. Körperkontakt. Mitgefühl. Trost. Nähe. Glück.
Kinder in Liebesbeziehungen
Da wundert es nicht, dass viele Kinder sich schon viel zu früh auf ein sexuelles Leben einlassen. Nicht weil sie frühreif währen. Wohl doch viel eher, weil sie sich verzweifelt nach körperlicher Nähe sehnen. Doch unsere Wertvorstellungen lassen für die jungen Menschen kaum eine andere Alternative zu. Als Pärchen haben sie die Möglichkeit, körperliche Nähe aufbauen zu dürfen, ohne dafür verurteilt zu werden. Doch selbst hier ist es häufig so, dass die Berührungen häufig auf die sexuelle Berührung reduziert werden.
Elternschaft als Rettung aus der körperlichen Isolation
Eine echte Befreiung bringt da eigentlich erst die Elternschaft. Wer jetzt noch dazu in der Lage ist, seine Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen und zu äußern, darf nun endlich: streicheln, tragen, herzen, küssen, beschützen, trösten, kuscheln, erkunden, erschnüffeln, genießen. Leben.
Schenken Sie sich und den Menschen, die Sie lieben, die Möglichkeit und den Raum zur Berührung. Gleich wie alt sie sind!